Dem Konsumenten ist am Ende aber nicht klar, warum er für eine Weinschorle 4,50 Euro bezahlen muss.
Die Gastronomen sollten eine Beispielrechnung in ihre Speisekarten veröffentlichen. Ein Beispiel: Neulich war meine Spülmaschine kaputt. Auf der Rechnung stand Wegzeit 54,84 Euro für 40 Minuten Anfahrt, Arbeitszeit Haushalt 95,80 Euro und Fahrzeugnebenkostenpauschale 19 Euro. Der Mitarbeiter war eine halbe Stunde da, die Rechnung betrug am Ende 144,87 Euro ohne Material. Solche Kalkulationen sind gang und gäbe, in der Gastronomie aber überhaupt nicht vorstellbar. Wenn der Betrieb mit Ihrer Weinschorle 15 Mitarbeiter hat, dann hat er allein 20 000 Euro Berufsgenossenschaft im Jahr zu zahlen. Und das erscheint auf keiner Rechnung. Genauso wenig die Miete, Versicherung, Strom und die gerechte Entlohnung. Warum soll der versierte Kellner, der Ihnen erzählen kann, dass es viel mehr gibt als Lemberger, mit 12,50 Euro die Stunde zufrieden geben? Und wie soll er davon in Stuttgart eine Wohnung bezahlen können?
Gibt es eine Faustformel für die Kalkulation in der Gastronomie?
Früher hat man den Einkaufspreis mal drei genommen. Aber welchen Preis nehmen Sie beim Kalbsrücken, bei dem Sie 60 Prozent Abfall haben? Das Nettogewicht mal drei? Das Finanzamt nimmt in seinen Excel-Tabellen aber mindestens das Vierfache an. Wenn Sie einen Wareneinsatz von fünf Euro netto haben, dann müssen Sie das Ding für mindestens 20 Euro verkaufen.
Und da schlucken die meisten Gäste.
Ja, das tun sie. Aber dann soll der Wirt lieber zu machen, als sich diesem Diktat zu unterwerfen. Der Konsument bringt die Wirte und auch die Erzeuger um. Dieses Preisbashing ist eine tödliche Abswärtsspirale. Ich war vor kuzem an der Nordsee. In kaum einem Restaurant gab es eine schöne, frische Scholle, sondern Pangasiusfilet, weil der Urlauber das nicht bezahlt. Die frische Scholle ist im Einkauf natürlich teurer – und deshalb wird auf minderwertige, gefrorene Produkte zurückgegriffen, um den Konsumenten zu befriedigen. Das ist doch ein absoluter Irrsinn. Man macht immer einen Bückling vor dem Gast.
Was muss passieren, damit sich das ändert?
Es ist nicht fünf vor zwölf, sondern halb eins. Diese Situation lässt sich ad hoc nicht drehen. Wir brauchen mindestens die nächsten zehn Jahre, um das unternehmerische Denken zu ändern. Wir haben ein Überangebot an Gastronomie – jeder möchte zu jeder Tages- und Nachtzeit essen gehen und das für wenig Geld. Wie bitte soll das funktionieren?
Das Münchner Tantris hat eine 4-Tage-Woche eingeführt. Ist das ein Modell der Zukunft?
Unbedingt. Aber in der Berliner Politik muss noch viel passieren. Man darf die Regelarbeitszeit ja eigentlich nicht auf zehn Stunden erhöhen. Die meisten Kollegen würden am liebsten eine vier Tage Woche einführen. Da muss die Politik mitspielen. So wäre ein Familienleben möglich. Und genau da müssen wir ran.